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Johannes Schweikle / Foto: Thomas Müller

“Kennen Sie Johannes Schweikle?” Die Frage der sympathischen Pressevertreterin überrascht mich: Na klar, wir waren in der gleichen Klasse auf dem Kepler-Gymnasium in Freudenstadt. “Dann wird Sie sein neues Buch “Westwegs” interessieren.” Annette Maria Rieger zögert nicht lange – zwei Tage später bekomme ich das Buch. Schon der Klappentext macht neugierig: “Der Schwarzwald ist das Zentralmassiv des deutschen Gefühls.” – dazu Lobhudeleien von Süddeutsche, FAZ., Stern und Südwestrundfunk.

Die Spannung steigt

Noch bevor ich mit dem Lesen beginne, setze ich eine Mail an meinen alten Klassenkameraden ab. Wer von uns beiden hätte in der sechsten Klasse gedacht, dass wir beide einmal im Journalismus landen würden: Er als “Edelfeder” für die große Magazine (ZEIT, GEO, Merian), ich als Filmemacher für das Fernsehen. Als Nachbarjungs haben wir mittags auf der Straße gekickt, heute tummeln wir uns beide im Genre der Reise-Reportagen. Nach 40 Jahren bietet mir sein Buch ein spannendes Wiedersehen mit der alten Heimat und dem Spielgefährten von einst.

Betonierte Trostlosigkeit

Johannes Schweikle nimmt den Leser mit auf den “Westweg”, der 285 Kilometer durch den Schwarzwald führt. Sein Plan: Alleine in zwölf Etappen von Pforzheim nach Basel zu wandern. Seine Reportage ist auch sprachlich eine Höchstleistung: Pointiert kommentiert er die “betonierte Trostlosigkeit” von Pforzheim: “Das Geld kam schneller als Ideen für eine neue Stadt… die Stadtplaner bauten eine Parodie auf Schiller: Freie Bahn den Tüchtigen!”   

Hitler legt selbst Hand an

Auf dem Tannenberg bei Freudenstadt studiert er die Reste des Führerhauptquartiers und berichtet, wie sich Hitler über den Pfusch bei seinem persönlichen Waschbecken ärgerte, weil das Wasser nicht ablief: “Am Abend schraubte Hitler eigenhändig den Siphon ab und stellte einen Eimer unter das Waschbecken. … Mit Hammer und Meisel legte der Handwerker schließlich das Rohr frei – es war voll mit Beton.”

Auf dem Weg des schwäbischen Pietismus

Westwegs Schweikle

Westwegs Schweikle

An der Alexanderschanze trifft Johannes Schweikle einen alten Schulkameraden aus der Freudenstädter Zeit, der ebenfalls beim Fernsehen arbeitet – ein netter Zufall. Beim Gang durch die engen Schwarzwaldtannen plaudern die Beiden über den schwäbischen Pietismus: “Mein Onkel hat jeden Sonntag das Harmonium gespielt. Aber glaubst du, das reicht um in den Himmel zu kommen?” Johannes stichelt: “Du bist vom schmalen Weg abgekommen.”

Heimat der Zwanghaftigkeit?

“Westwegs” ist ein humorvolles Buch mit einer großen Prise Selbstironie und zahlreichen Wortmalereien, die wie ein delikates Essen genussvoll auf der Zunge des Leser zergehen: “O Schwarzwald, o Heimat der Zwanghaftigkeit.” Bei vielen Beobachtungen muss ich Johannes recht geben: Wie er habe auch ich früh die Geburtsstadt verlassen und genieße seit dreissig Jahren den weiten Horizont meiner hessischen Heimat. So sehr ich den Schwarzwald liebe, so wenig könnte ich heute in der Enge der Tannen leben. Für meine kreative Arbeit brauche ich Weite, die ich bei meinen Besuchen häufig vermisse. Auch diese Erfahrung verbindet mich mit Johannes Schweikle.

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