Foto: Les Misérables

Foto: Les Misérables

Es gibt Filme, die sind luftig und süß wie Popcorn. Die Verfilmung von “Les Misérables” gehört definitiv nicht dazu, auch wenn meine Nachbarn gefühlte 90 Min. davon naschten. Vermutlich deshalb, weil sie den Schmerz betäuben wollten, den dieser Film auslöst. Jeder, der die Geschichte von Victor Hugo über “Die Elenden” kennt, weiß: Das ist starker Tobak, eine  starke Zumutung. Und die Verfilmung legt noch eine Schippe drauf und zeichnet die Zeit der Französischen Revolution naturalistisch und brutal nach.

Das Motiv der Vergebung

In allem Graublau dieses Les Misérables Film, in aller Düsterheit der Epoche strahlt das Motiv der Vergebung wie ein Licht hervor: Jean Valjean, der 19 Jahre ins Straflager muss, weil er ein Brot gestohlen hat, faszinierend dargestellt von Hugh Jackman: Er erlebt die Gastfreundschaft eines Priesters – ein starker Moment, der an seinem Feindbild kratzt. Nachts klaut er das Altarsilber, flieht und wird geschnappt. Doch der Priester betont Jeans Unschuld: Er habe ihm das Silber geschenkt. Beschämt nimmt der überführte Dieb das Geschenk an und beginnt ein neues Leben in Freiheit.

Jedes Beben des Körpers hautnah

In den letzten zwanzig Jahren habe ich das Musical von  Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg mehrfach gesehen. Immer wieder haben mich die einfachen Balladen berührt, die wie Hilferufe tief unter die Haut gehen. Doch die Verfilmung von  Tom Hooper geht eine Stufe weiter: Alle Schauspieler singen live vor der Kamera. Jede Silbe, jeder Atemzug intensiviert den ohnehin schon starken Text. Die Handkamera ist nah dran, zeigt das Beben des Körpers, jeden Wimpernschlag noch stärker als dies im Theater möglich ist. In manchen Szenen erscheint die Haut der Akteuere so dünn wie Pergament zu sein, die alle Emotionen direkt an das Publikum weitergibt.

Ungeschminktes Elend

So nah, so direkt habe ich “Les Misérables” noch nie gesehen. Damit bin ich wieder bei der Zumutung: Es gehört Mut dazu, dieses ungeschminkte Elend knapp drei Stunden hautnah zu ertragen. Auf der großen Leinwand erscheinen die Akteure so nackt, so ungeschützt, obwohl sie ihre Kostüme tragen. Dies gilt besonders für Anne Hathaway, die für die Rolle der Fantine in diesem Jahr mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Doch wer den Mut hat, diesen Film zu sehen, wird mit einem außergewöhnlich tiefen Erlebnis belohnt.

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