Knigge NachbarschaftMit unseren Nachbarn haben wir wirklich einen „Jackpot“ gewonnen. Ich erinnere mich an unseren Einzug vor 11 Jahren, als sei es gestern gewesen: Plötzlich steht Nachbar Jörg vor uns, begrüßt mit herzlichen Worten und lädt uns auf eine heiße Tasse Kaffee ein. Nach der Abfahrt des Möbelwagens drehen wir unsere Runde: Wir stellen uns bei Christine und Andreas vor, lernen Birgit und Rüdiger kennen, dazu ihre Kinder. In unserer direkten Umgebung leben sieben Familien und schon bei der Vorstellungsrunde haben wir den Eindruck: „Hier sind wir willkommen“ .

Gute NachbarschaftIn den folgenden Wochen und Monaten erleben wir in unserer Straße eine spannende Nachbarschaftskultur: Etliche nutzen ihre Geburtstage, um bei einer kleinen Gartenparty oder einem Kaffeetrinken mit den Nachbarn zu feiern. Jörg räumt die Garage aus und lädt zum Oktoberfest ein, Birgit backt norddeutschen Apfelkuchen.

Wir starten mit einem Adventskaffee und setzen damit einen neuen Akzent. Doch gemeinsam freuen wir uns alle auf den jährlichen Höhepunkt: Das zweitägige Straßenfest. Bis spät in die Nacht sitzen wir unter dem Sternenhimmel, lernen die neu Hinzugezogenen kennen, vertiefen unsere bewährte Nachbarschaft. Am Sonntagmorgen dann der Frühschoppen, anschließend wird gemeinsam abgebaut. So läuft es über Jahre.

Die Kultur der Nachbarschaft verändert sich

Der „Jackpot“ unserer guten Nachbarschaft wird geschätzt und auch gepflegt. Doch dann beginnt die Erosion: Langsam und unmerklich. Im Haus gegenüber wechseln die Mieter im Jahrestakt. Das Paar daneben hat geerbt und zieht aus. Doch die neuen Parteien bleiben reserviert, stellen sich nicht vor, lassen sich auch von der Herzlichkeit der anderen nicht aus ihrer Reserve locken. Dann zieht Birgits Familie nach Amerika. Die modernen Business-Nomaden verlassen nach und nach auch unser Neubaugebiet.

Mit den Neuen, die kommen, ändert sich auch die Kultur. Zum ersten Mal fällt das traditionelle Straßenfest aus, die Zahl derjenigen, die sich seit Jahren engagieren, wird immer weniger. Auch die Kultur der gemeinsamen Geburtstage verblasst. Meine Frau und ich erleben, wie unserem Adventskaffee – auch von den neuen Nachbarn geschätzt wird, doch es gibt keine Gegeneinladungen mehr.

Bis auf Kerstin und Jörg: Sie sind so herzlich wie am ersten Tag. Zu viert stehen wir auf der Straße. Da kommt ein wenig bekanntes Gesicht auf mich zu: „Ich bin der Martin und habe mich noch gar nicht vorgestellt. Wir wohnen bereits seit fünf Jahren hier…“